Rio de Janeiro

Reisebericht aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika

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Seite 27

In der Weltstadt Rio de Janeiro

Ob Du es glaubst oder nicht, Jupp: Ich bin in der schönsten Stadt der Welt. Schade, daß wir nicht zu Schiff in den Hafen eingefahren sind. Wir kamen aber von der anderen Seite über das brasilianische Bergland. Brasilien hat nämlich nicht nur das tief liegende, ungeheure Amazonasbecken, dessen Urwäldern wir eben entronnen sind, sondern an der Ostküste auch ein riesiges Bergland. Das heißt: Es ist teilweise ein mächtiges Gebirge, mit Bergen, so hoch wie unsere Zugspitze. "Ein ganz altes Gebirge", hat mir Fernandez erklärt, "viel älter als die Kordilleren." Ich kann das nicht recht verstehen, da die Kordilleren oder Anden an der Westküste Südamerikas doch viel höher sind. "Das ist es ja gerade", sagt Fernandez, "in Jahrmillionen ist es schon teilweise wieder abgetragen worden. Es ist nur noch der Sockel eines uralten Faltengebirges." Jupp, Du nimmst jetzt am besten erst wieder einmal Deinen Schulatlas zur Hand. Siehst Du, wie weit sich das Bergland nach Osten in den Atlantischen Ozean vorschiebt? Blättere schnell einmal weiter bis zur Karte vom Atlantischen Ozean! Siehst Du, dort, wo die brasilianische Küste fast einen rechten Winkel bildet, ist die Stelle, wo Südamerika dem Erdteil Afrika am nächsten kommt. "Für den Verkehr Brasiliens mit der Welt ist das sehr günstig", sagen Onkel Tom und Fernandez.

Hafenrundfahrt und Zuckerhut

Aber ich wollte Dir ja gar keinen Erdkundeunterricht geben, sondern von Rio erzählen. Nachdem wir einen Tag ordentlich ausgeschlafen hatten, haben wir eine Hafenrundfahrt gemacht. Einen so schönen Hafen gibt's bestimmt nur einmal. Sogar Onkel Tom sagt: "Very nice, indeed!" - Sehr schön, wahrhaftig! Eine Weltstadt von fast drei Millionen Einwohnern - und doch wie eine Märchenstadt, wenn man in die Bucht einfährt. Tiefblauer Ozean, urwaldbedeckte Berge und davor die Stadt mit weißen Palästen und Hochhäusern in strahlender Sonne, mit Villen und einem herrlichen Badestrand. Auf einer Bergkuppe über der Stadt steht eine große, weiße Christusfigur mit ausgebreiteten Armen, als segene sie die Stadt und die Bucht. Im Süden steigt der berühmte "Zuckerhut" unmittelbar aus dem Meer, ein steiler Felsen, auf den wir mit der Schwebebahn hinaufgefahren sind. Wir haben oben gesessen, ganz benommen von dem herrlichen Rundblick. Abends blinkten Tausende von Lichtern auf. Die Lichter der großen Avenuen zogen sich wie leuchtende Perlenketten am Ufer entlang. Straßen gibt es in der Stadt - wahre Prachtstraßen, an denen herrliche Königspalmen stehen. Ein ganz moderner Flugplatz liegt mitten in der Stadt. Die Brasilianer haben gewaltige Granitfelsen weggesprengt, um den nötigen Raum zu gewinnen. Hier wird überhaupt gebaut und geplant, wie wir uns das aus Deutschland kaum vorstellen können. Es leben übrigens viele Deutsche in der Stadt. Aber heiß ist es hier, unsagbar heiß, vor allem über Mittag, wir sind fast zerflossen. Nachdem wir uns neu eingekleidet hatten - der Rest unseres Gepäcks verfault und verdirbt wohl inzwischen in den Flugzeugtrümmern im Urwald, wenn ihn nicht Indianer gefunden haben, ehe die Termiten ihr Zerstörungswerk beginnen -, als wir uns also richtig "stadtfein" gemacht hatten, fuhren wir nach Petropolis hinaus. Das ist die ehemalige Residenz der brasilianischen Kaiser - heute ist Brasilien ja Republik. Der Ort liegt in den Randbergen nahe der Stadt. Hier ist die Luft frischer und kühler. Onkel Tom wollte einen Geschäftsfreund besuchen, der dort eine Villa hat, prächtig wie ein Märchenschloß, mit herrlichen Gärten und Springbrunnen drin. Gleich hinter den Gärten beginnt der Urwald.

Auf dem Gipfel des Itatiaya

Wir haben einen Ausflug ins Gebirge gemacht. Zuerst mußten wir uns mit der "Machete" einen schmalen Pfad durch die Schlinggewächse und Dornen schlagen. Es war eine anstrengende Sache, denn die Tropensonne brannte herab. Je höher wir kamen, desto lichter wurde der Wald. Überall wuchsen Riesenfarne. Wir kamen in eine immer wildere Berglandschaft. "Jetzt wird nicht umgekehrt", meinte Fernandez, "wir wollen nun auch bis auf den Gipfel des Itatiaya." Dieser Berg, mußt Du wissen, ist der höchste in Brasilien, fast 3000 Meter hoch. "Wir können doch hinauffahren", schlug der dicke Paulo vor, der Sohn unseres Gastgebers, der an der Bergtour teilnahm. "That's okay", sagte Onkel Tom, der auch das Klettern satt hatte. Wir sind also mit einem Auto hinaufgefahren. Oben bot sich uns ein herrlicher Rundblick. Wilde Felstürme des Orgelgebirges, im Osten, von der Abendsonne beschienen, der Atlantische Ozean - und als es dämmerte, unter uns das Lichtermeer von Rio. Nach Westen blickte man über die Berge dorthin, wo die unendlichen Urwälder des Amazonas beginnen. Dort lag die grüne Hölle, der wir entkommen waren, mit ihrer mörderischen, feuchten Hitze. Hier oben dagegen war es so luftig und kühl, daß wir fröstelten. Am dunklen Himmel leuchteten viele unbekannte Sternbilder auf. Und der große, gelbe Halbmond steht hier nicht aufrecht, sondern sieht aus wie eine flache, goldene Schale.

Rio de Janeiro ist nach São Paulo die zweitgrößte Stadt Brasiliens und Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Rio de Janeiro hat 6,1 Millionen Einwohner. (2007) Bis 1960 war Rio de Janeiro die Hauptstadt Brasiliens bis Brasília sie als neue Hauptstadt an ablöste. Sie bleibt aber nach São Paulo bedeutendstes Handels- und Finanzzentrum des Landes. Wahrzeichen von Rio de Janeiro sind der Zuckerhut, die 38 Meter hohe Christusfigur auf dem Gipfel des Corcovado und der Strand des Stadtteils Copacabana. Die Stadt ist auch bekannt wegen des jährlich stattfindenden Karnevals von Rio. Die vielfarbige Parade der Sambaschulen gehört zu den größten Paraden der Welt.